Wildwasser in Brandenburg – Paddeln auf dem Rheinsberger Rhin
Es ist wie verhext: Keine drei Schläge und unsere türkisblaue Diva schiebt sich quer zur Strömung. Mit Vorliebe bricht das robuste 2er-Kajak dort aus, wo sich der Bach durch umgestürzte Bäume zu einem Flaschenhals verengt. Die Sache mit der Strömung haben wir offenbar noch nicht im Griff. Beim Paddeln zeigt sich angeblich, wer auch im Leben ein gutes Team ist. Wenn das stimmt, dann liegen mein Paddelpartner und ich gerade ernsthaft im Clinch.
Wir sind im Ruppiner Land, zwei Zugstunden nördlich von Berlin, genauer gesagt auf dem Rheinsberger Rhin unterwegs. Der lebhafte Bach schlängelt sich zwischen Rheinsberg und Zippelsförde in engen Kurven knapp 18 Kilometer durch naturbelassenen Bruchwald und üppige Feuchtwiesen. Etwa 17 Meter Gefälle legt er auf diesem Abschnitt zurück und fließt deshalb mit einer Geschwindigkeit, die für Brandenburgische Gewässer einzigartig ist.
Dass in meinem Paddelführer von „leichtem Wildwasser“ die Rede ist, nehmen wir nicht allzu ernst. Schließlich paddeln wir nicht zum ersten Mal – sind allerdings auch beileibe keine Profis. Paddeln, das hieß für mich bisher meist: lauschige Sommertouren über Seen und Kanäle, bei denen die größte Herausforderung darin bestand, die Schmerzen in den Schultern zu ignorieren, keinen Sonnenstich zu bekommen und Schwanenfamilien möglichst weiträumig zu umfahren. Stromschnellen und Hindernisse? Die werden wir schon meistern!
An der Einfahrt in den Rhin, gleich neben dem Rokoko-Schloss Rheinsberg, ist von Abenteuer noch nichts zu spüren. Wir lassen uns unter der Schlossbrücke hindurchtreiben und winken den Besuchergruppen am Ufer zu. Aber schon nach wenigen hundert Metern ist die gemütliche Fahrt zu Ende. Vor dem Wehr müssen wir unser Boot aus dem Wasser ziehen und über die Straße tragen.
An der Schlossmühle nimmt der Rhin an Tempo auf. Wir geben uns alle Mühe, unser robustes Plastikboot auf Kurs zu halten, doch die ersten Kilometer sind die reinste Zickzackfahrt. Als sich leise Frustration einstellen will, zeigt sich der Paddelgott gnädig. Von ein paar Ausreißern abgesehen, haben wir plötzlich den Bogen raus und beginnen die Tour durch den urigen Erlenwald zu genießen. Ultramarinblaue Libellen, deren filigrane Körper wie frisch poliert in der Sonne glänzen, schweben elegant über das klare Wasser, am Ufer wuchert dichter Farn und über unseren Köpfen wölbt sich ein kathedralenartiges Blätterdach.
Naturschützer sähen den Rheinsberger Rhin am liebsten nicht nur für Motorboote, sondern auch für Kajaks gesperrt. Denn das Gebiet ist Rückzugsraum für Otter, Biber und Molche, im sandigen Steilufer des engen, eiszeitlichen Tals brüten seltene Eisvögel und auf den Feuchtwiesen gedeiht der Sonnentau.
Um die einmalige Flora und Fauna zu schützen, haben Umweltamt und Tourismusbehörde zähneknirschend einen Kompromiss geschlossen. Der Bach darf nur stromabwärts und auch nur vom 15. Juni bis zum 31. Oktober befahren werden, vorausgesetzt, der Pegel an der Einsetzstelle Rheinsberg liegt bei mindestens 65 Zentimetern. Und auch nachts hat die Natur Zeit sich zu erholen.
Das ist auch nötig, denn der Rheinsberger Rhin ist längst kein Geheimtipp mehr. Viele kommerzielle Kanuverleiher in der Region vermarkten die Tour als familientauglichen „Adventure-Trip“. Und so kann es passieren, dass sich an sonnigen Wochenenden in der Ferienzeit die Kajaks stauen und die Rastplätze knapp werden. Entspannter ist es, den Rhin wochentags zu befahren.
Aber an diesem Samstag haben wir den Rhin die meiste Zeit für uns allein. Erst ab Rheinshagen, etwa auf halbem Weg, wird es unruhig. Nicht nur weil sich auf der schattigen Wiese neben der Brücke ganze Rudel von Paddlern zum Picknicken niedergelassen haben. Direkt an der Einsetzstelle beginnt auch eine etwa 100 Meter lange Gefällestrecke, die es in sich hat. Wer hinter der Stromschnelle nicht an einem quer im Bach liegenden Baum kentern will, muss Geschick oder Glück haben.
Nicht gerade elegant, aber ohne baden zu gehen, schießen wir an dem Hindernis vorbei. In puncto Teamfähigkeit besteht für uns vielleicht doch noch Hoffnung. Der zweite Rhin-Abschnitt kommt uns rauer vor, was auch daran liegen mag, dass Kraft und Konzentration allmählich nachlassen. Fast ununterbrochen müssen wir Stämmen, Sandbänken, Steinen oder tief hängenden Zweige ausweichen. Ein paar Wildschweine, die im Gebüsch grunzen, nehmen wir nur aus den Augenwinkeln wahr.
Als wir nach etwa sechs Stunden den Kanutaxiplatz in Zippelsförde erreichen, sind wir zwar traurig, dass wir am Ende unserer Reise angekommen sind, aber auch ein ganz klein bisschen erleichtert, die Paddel aus der Hand geben zu dürfen. Wer jetzt Lust bekommen hat, den Rhin selbst zu paddeln, sollte sich auf eine sportliche Tour gefasst machen – und auf eine der bezauberndsten Flussfahrten in ganz Norddeutschland.
Rheinsberger Rhin zwischen Rheinsberg und Zippelsförde (auf Google-Maps)
Einsetzstelle: Im Yachthafen am Grienericksee oder nach dem Wehr an der Schlossmühle am Rheinsberger Schloss
Hin und weg: Mit dem Regionalzug ab S-Bahnhof Hennigsdorf, Fußweg zum Yachthafen Rheinsberg etwa 20 Minuten, mit etwas Glück erwischt man einen Bus zum Schloss (Fahrtzeit ab dem Berliner S-Bahnring ca. 2 Stunden)
Kanuverleih: Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern, die auch den Transfer organisieren; der Tagespreis für die Rhintour liegt, inklusive Rücktransport, bei ca. 40 Euro. Wir haben unser Kajak bei der Reederei Halbeck gebucht. Dort empfing man uns zwar brandenburgisch wortkarg, aber die Station befindet sich schön zentral im Yachthafen neben dem Schloss.
Mit diesem Blogpost beteilige ich mich an der Blogparade von Travel on Toast.