Spandauer Eiskeller: Wiesen, Wald und Grenzgeschichten
Wer war der Vorfahr des Kühlschranks? Richtig, der Eiskeller. So hießen früher die Kelleranlagen, in denen Fürsten ihren Schampus und wohlhabende Leute ihren Speck lagerten, kühlgehalten vom Eis aus den nahe gelegenen Flüssen und Seen. Oft standen die gemauerten Gebäude an trockenen, schattigen Plätzen in der Nähe von Gutshäusern, Schlössern oder Brauereien.
Seit der Erfindung von Eismaschinen und Klimaanlagen sind Eiskeller passé. Aber mancherorts erinnern noch Ortsnamen an diese geniale Erfindung der frühen Neuzeit. So auch in Berlin. Auf einer gemütlichen Halbtagestour mit dem Fahrrad haben wir dem Spandauer Eiskeller einen Besuch abgestattet.
Wer bei Eiskeller allerdings an halb verfallene Backsteingebäude oder muffige Erdlöcher denkt, liegt völlig falsch. Der Spandauer Eiskeller ist eine 50 Hektar große Wiese am westlichen Zipfel des Spandauer Forstes, Landschaftsschutzgebiet, Naturdenkmal.
Immerhin machen wenigstens die Temperaturen an diesem Novembertag dem Ort alle Ehre. Und das ist kein Zufall. Denn durch seine Lage am Waldrand und die wellige Bodenstruktur im ehemaligen Urstromtal ist der Spandauer Eiskeller buchstäblich Berlins Kältehölle. Im Winter liegen die Temperaturen schon mal 10 Grad unter denen am Alexanderplatz. Paradoxerweise werden hier im Sommer hin und wieder auch Hitzerekorde gemessen.
Exklave auf DDR-Territorium
Seine Bekanntheit verdankt der Spandauer Eiskeller nicht zuletzt einer Kuriosität aus Zeiten des Kalten Kriegs. Denn das Flurstück war eine von zehn sogenannte Exklaven, eine Westberliner Insel mit vier Gehöften auf DDR-Territorium, erreichbar nur über einen schmalen Korridor, der von Grenzsoldaten bewacht wurde. Eine Stele am Mauerradweg erinnert an diese Grenzgeschichte.
Doch nicht nur der Eiskeller, sondern der gesamte Abschnitt vom S-Bahnhof Spandau bis an die Havel, der dem Mauerradweg folgt, ist eine Reise in die deutsch-deutsche Vergangenheit. An der Falkenseer Chaussee erzählt die Open-Air-Ausstellung Ausstellung „Spurensuche Mauer“ über den Alltag der Teilung zwischen Falkensee und Spandau. Stelen im Wald erinnern an die Opfer der Berliner Mauer. Und wer beim Radeln hin und wieder einen Blick ins Unterholz riskiert, entdeckt alte Grenzpfosten, Stacheldraht und Mauerreste.
Mischwald, Moorwiesen und Berliner Havelluft
Aber auch Naturliebhaber kommen bei dieser Rundtour voll auf ihre Kosten: Etwa ein Drittel der wohltuend abgelegenen Strecke führt auf gewundener, teils hügeliger Asphaltpiste durch abwechslungsreichen Mischwald und entlang artenreicher Moorwiesen. Ab dem Jagdhaus Spandau verläuft der Radweg fast durchgehend am Havelufer.
Bei schönem Wetter lohnt sich ein Abstecher auf die Havelinsel Eiswerder. In den ehemaligen Industriebauten befand sich früher eine der wichtigsten Waffenschmieden des Preußischen Militärs. Heute beherbergen die sanierten Backsteingebäude Filmstudios, Eventräume und Luxuslofts. Wem nach all den Eisgeschichten ein bisschen frostig zumute ist, kann sich an sonnigen Tagen auf den windgeschützten Bänken am Südostufer der Insel prächtig aufwärmen.
Rundtour vom S-Bahnhof Spandau über den Mauerradweg und an der Havel zrück (ca. 28 Kilometer), Route auf Google Maps
Hin und weg: Mit der U7 oder S5 nach Spandau oder Anfahrt über den Mauerradweg.
Bonustipp: Wer noch Zeit hat, sollte einen Besuch der Festungsanlage Zitadelle Spandau nicht verpassen. Neben verschiedenen Museen kann man den 30 Meter hohen Juliusturm besteigen und hat von dort einen schönen Rundblick über Spandau und Umgebung. Zur Schenke in der Zitadelle kommt man auch ohne Eintritt zu bezahlen.