Romantische Begegnungen – Wandern in der Ruppiner Schweiz (3/3)
Leicht bekleidet steht sie mitten im Wald, barfuß, die Toga über die nackte Schulter geworfen, als wäre sie geradewegs aus dem See gestiegen: die „schöne Sabine“. Eine steingewordene Sagengestalt, nach der sowohl der Ort als auch der Gutshof am Ufer des glasklaren Kalksees nördlich von Boltenmühle benannt ist: Binenwalde.
Sagengestalt und Namensgeberin
Der Erzählung nach handelte es sich bei der schönen Sabine um die Förstertochter Sabine Cusig, die dem früh verwitweten Vater den Haushalt im Forsthaus führte. Bei ihren abendlichen Bootsausflügen auf dem Kalksee lernte sie den Flötenspieler Fritz kennen und verliebte sich in ihn. Eine unmögliche Liebe, wie sich herausstellen sollte, denn hinter besagtem Fritz steckte kein geringerer als Kronprinz Friedrich II., der 1740 zum König in Preußen gekrönt wurde.
Obwohl weder die schöne Sabine noch die heimliche Liaison historisch verbürgt, sondern eher dem romantischen Zeitgeist entsprungen sind, setzt der örtliche Heimatverein vieles daran, die Erinnerung an die verhinderte Prinzessin lebendig zu halten.
Gleich hinter dem Hotel Boltenmühle begegnet man ihr zum ersten Mal, als Namensgeberin für den Binenbach, ein idyllischer Wildbach, der sich über rund einen Kilometer zwischen Kalk- und Tornowsee windet. Die Wanderung durch den Mischwald am Bachufer entlang gehört zu den landschaftlichen Höherpunkten der Etappe.
Wir steigen von dem kleinen Hügel im Wald, wo das Sabinendenkmal steht, hinunter zum Gutshof Binenwalde, der nach langem Leerstand wieder in Privatbesitz und teilweise zur Ferienwohnung ausgebaut ist. Schräg gegenüber liegt das traditionsreiche Gasthaus Hacker im Dornröschenschlaf, ein flacher Holzbau mit großen türkisen Sprossenfenstern, davor ein verlassener Biergarten unter uralten Linden, Buchen und Eichen.
Endlich Berge
Gleich hinter dem Dorfgasthof geht es rechts über eine Kopfsteinpflasterstraße aus dem Ort hinaus und wenig später Richtung Braunsberg über einen Feldweg zwischen Weiden und Äckern. Außer den Figuren der Vergangenheit begegnen wir keiner Menschenseele, die Rinder beäugen uns skeptisch. Der Laubwald ist einer weiten, leicht gewellten Ebene gewichen, über die der Wind pfeift. Durchgefroren flüchten wir für in die Dorfkirche Braunsberg, einen schlichten Fachwerksbau von 1743.
Die nächsten vier Kilometer bis zu den Krähenbergen ziehen sich. Als links ein Sendemast auftaucht, nehmen wir den Abzweig nach rechts in Richtung Hellberge und folgen dem blau markierten Wanderweg im Zick-Zack-Kurs durch einsamen Mischwald zum Wartturm. Der sechseckige Turm im gotischen Stil steht auf einer kleinen Anhöhe und ist von Bäumen eingefasst. Als er 1802 gebaut wurde, gab es von den Turmfenstern aus noch eine direkte Sichtverbindung zum Rheinsberger Schloss, wahrscheinlich diente er dazu, rechtzeitig Signal zu geben, wenn Gäste aus Berlin eintrafen.
Vom Turm zum Schloss
In der Legende um den Wartturm begegnet uns der Flötenspieler vom Kalksee wieder. Denn angeblich ließ sich der junge, musisch begabte Kronprinz von diesem Turm aus warnen, wenn sein strenger Soldatenkönigvater nahte, damit er die Querflöte noch rechtzeitig gegen die Exerziermontur eintauschen konnte. Plausibel ist die Geschichte nicht, denn als der Turm gebaut wurde, lebte Friedrich II. schon lange hochbetagt im Potsdamer Stadtschloss. Geschenkt.
Wer selbst einen Blick durch die Turmfenster werfen will, kann sich mit einem Anruf im Tourismusbüro Rheinsberg den Zahlencode für die Tür besorgen. Die freie Sicht auf das Schloss ist heutzutage allerdings von Baumwipfeln verdeckt.
Vom Wartturm wandern wir weiter durch den Wald bis an den Stadtrand von Rheinsberg, vorbei an einer historischen Holländermühle und quer durch den Schlosspark bis zum Schloss. Eine letzte romantische Begegnung beschert uns zum Abschluss Kurt Tucholsky, der Rheinsberg eine bissige Erzählung über den Besuch eines verliebten Paares aus Berlin gewidmet hat, worüber man im Kurt Tucholsky Literaturmuseum mehr erfahren kann. Damit verabschieden auch wir uns wieder in die Hauptstadt.
Dies ist der dritte Teil einer Artikelserie über Wandern im Ruppiner Land. Er beschreibt die Wanderung von Boltenmühle nach Rheinsberg. Gestartet sind wir in Wustrau-Radensleben nach Neuruppin (1. Etappe) und Boltenmühle (2. Etappe). Alle drei Abschnitte können einzeln oder kombiniert gewandert werden.
Hin und weg: Anreise von Berlin über Neuruppin mit RE 4 & RE 6 und Bus (787, 784) nach Boltenmühle (Gesamtfahrzeit mindesten 2 Stunden), zurück mit der Regionalbahn RE 5 & RB 54 (ca. 2:30 Stunden) von Rheinsberg nach Berlin.
Strecke: Von Boltenmühle bis Rheinsberg sind es ca.16 Kilometer, auf Ufer- und Waldwegen, längere Abschnitte über (Kopfsteinpflaster-)Straßen.
Alle drei Etappen auf Google Maps.