Kulturdachgarten Klunkerkranich – über den Dächern von Neukölln
Wer mit dem Fahrstuhl in die fünfte Etage der Neukölln Arcaden fährt, tut das nicht, um seinen Wagen abzuholen. Auf dem oberen Parkdeck der riesigen Shoppingmall herrscht gähnende Leere. Die schneckenförmige Auffahrt zum Dach ist mit Flatterband und Bauzaun abgesperrt. Aus Richtung Himmel wabern leise Housebeats die Rampe hinab.
Zwei Berliner Szeneveranstalter haben hier oben in wochenlanger Handwerksarbeit ein neues Gemeinschaftsprojekt auf die Beine gestellt: den Kulturdachgarten Klunkerkranich. Urban Garden, Bar, Café, Restaurant, Open-Air-Bühne, Spielplatz, Sonnendeck – es ist nicht leicht, diesem Freiraum über den Dächern von Neukölln ein Etikett anzuheften.
Je nach Tageszeit und Programm bevölkern Pärchen, Familien, Partygäste, Kulturinteressierte und Erlebnishungrige die grob gezimmerten Podeste, die in der Mitte der Dachfläche wie eine Insel aus dem grauen Asphalt ragen. Ein sonnengebräunter Mittzwanziger lehnt an der Bar und wippt sachte zur Musik. Zwei ältere Damen haben einen Platz zwischen den hölzernen Pflanzkübeln gefunden, zu ihren Füßen manövriert ein Dreikäsehoch seinen Plastiklaster gewissenhaft zwischen zwei weiße Parkmarkierungen, die auf dem Boden noch gut zu sehen sind. Ein paar arabische Jugendliche versammeln sich zum Gruppenfoto.
Es gibt Tische und Bänke, lauschige Sitznischen und ein gläsernen Gartenhaus, eine Sandfläche und einen Premierenplatz vor dem Bienenstock. Dazu einen atemberaubenden Weitblick über das Häusermeer bis zum Berliner Fernsehturm.
Diese Mischung hatten sich die Macher vorgestellt: Geht es nach ihnen, soll der Klunkerkranich ein Ort für alle sein, auch die Nachbarn können mitgestalten. Ein bisschen exotisch wirkt der Dachgarten schon, wenn man von der trashigen Einkaufsmeile in der Karl-Marx-Straße mit ihren Wettbüros, Telefon-Shops, Fastfood-Läden, Schnäppchenmärkten und Shisha-Cafés heraufsteigt. Vielleicht haben die Veranstalter ihr Projekt gerade deshalb nach einer afrikanischen Kranichart benannt.
Immerhin ist den Neuköllnern gelungen, woran die Himmelbeet-Macher im Wedding erst kürzlich gescheitert sind: die Behörden zu überzeugen, dass hier oben ein lohnenswertes Stadtnaturexperiment entsteht. Noch wirkt die Bepflanzung zwar etwas provisorisch und die eine oder andere Fläche reichlich kahl. Doch dank eines langfristigen Mietvertrags für das 2.500 Quadratmeter große Areal hat die Natur viel Zeit, sich zu entwickeln.
Schon jetzt kann man zwischen Erdbeeren, Kohlrabi und Sonnenblumen prächtig entschleunigen und mit einem kühlen Drink (oder einem heißen Kaffee) den Blick ziellos in die Ferne schweifen lassen. Und trotz des Sprühregens, der an diesem Eröffnungssonntag aus dem grau verhangenen Himmel fällt, liegt ein kollektives Lächeln auf den Gesichtern der Besucher – so entspannt kann Neukölln sein.
Kulturdachgarten Klunkerkranich, Karl-Marx-Straße 66, Berlin Neukölln, Eingang zum Parkhaus (auf Google-Maps)
Öffnungszeiten: Vorerst nur an den Wochenenden geöffnet, in den Abendstunden sind Konzerte und Theater geplant; wer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auf klunkerkranich.org für den Newsletter anmelden. Die Facebook-Seite findet ihr unter facebook.com/derklunkerkranich
Der Eintritt ist tagsüber frei, ab 18 Uhr bei Veranstaltungen kostet er 3 Euro.
Hin und weg: U8 bis U-Bahnhof Rathaus Neukölln
Update (7. August 2014): Zurzeit läuft bei Startnext eine Crowdfunding-Kampagne für den Dokumentarfilm “Du musst dein Ändern leben” über die Macher des Klunkerkranichs – einen Vorgeschmack gibt’s im Video zur Kampagne.
Update (1. Oktober 2015): Es sieht nicht gut aus für das Klunkerkranich-Projekt. Das Blog neukoellner.net berichtet über den “Krach auf dem Dach” zwischen den Klunkerkranich-Machern. Bleibt zu hoffen, dass es bis zum nächsten Frühling eine Einigung gibt.