Mielkes Kegelbahn im Grünen – Ausflug zum Schloss Dammsmühle
30 Jahre nach dem Mauerfall ist hier vom Prunk der DDR-Nomenklatura nichts mehr zu spüren. Der nasskalte Novembernebel kriecht uns in die Kleider, die Finger sind klamm, die Nasen rot. Gerade deshalb ist es genau der richtige Tag für einen Besuch von Schloss Dammsmühle. Denn die leerstehende Schlossruine, romantisch gelegen inmitten von mächtigen Buchenwäldern bei Schönwalde, erzählt auch von der Vergänglichkeit der Macht.
Das einst imposante neobarocke Herrenhaus, im 19. Jahrhundert auf Basis eines älteren Schlossbaus errichtet, blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Mutmaßlich stand hier schon im 16. Jahrhundert eine Mühle, die damals wohl zum Kloster Lehnin gehörte. Im 18. Jahrhundert baute der Berliner Lederfabrikant Peter Friedrich Damm den Nutzbau zu einem zweigeschossigen Palais um – so kam das Anwesen zu seinem Namen: Dammsmühle.
Nach dem Tod des Hausherrn verfiel das Gebäude, wurde zwangsversteigert und in den 1890er Jahren wieder zum Lustschloss im neobarocken Stil herausgeputzt, inklusive Zwiebeltürmchen und Tanzsaal im orientalischen Stil auf dem Mühlenteich. Auch in den folgenden Jahrzehnten ging das Haus durch einige Hände, bevor es in den Besitz von SS-Reichsführer Heinrich Himmler gelangte. Der ließ die Anlage von Häftlingen aus dem KZ Sachsenhausen instand setzen.
Nach 1945 reichte die eine deutsche Diktatur den Schlüssel an die nächste weiter. Anfangs noch von der Roten Armee besetzt, übernahm 1959 das Ministerium für Staatssicherheit der DDR das Anwesen und nutzte es bis 1989 als Jagdschloss. Darüber freuten sich vermutlich auch die SED-Parteifunktionäre – zur Waldsiedlung Wandlitz war es nur ein Katzensprung.
Stasi-Minister Erich Mielke ließ hässlich funktionale Gästehäuser, einen Wirtschaftshof und einen Bunker bauen, der sogar über ein eigenes Kommunikationsnetz verfügte. Im Schlossinneren ließen es sich die obersten Stasikader gutgehen: Es gab eine Sauna, einen schmucken Speisesaal und der ehemalige Wandelgang diente fortan als Kegelbahn. Das Volk im Arbeit- und Bauernstaat blieb freilich weiträumig ausgesperrt.
Seit dem Untergang der DDR wartet Schloss Dammsmühle auf eine glanzvollere Zukunft. Ein paar Anläufe hat es bereits gegeben, verschiedene Investoren versprachen hochfliegende Pläne, tatsächlich saniert wurde bislang nie. Derweil diente das Schloss als Filmkulisse, Eventlocation und schaurig-schönes Ausflugsziel – und verfiel. Seit kurzem ist die Ruine mit einem Bauzaun abgesperrt, ein Berliner Promi-Gastronom will daraus ein Hotel mit Spa-Bereich und Edelrestaurant machen.
Wer also ein Faible für den morbiden Charme verfallener Gebäude hegt, sollte Dammsmühle möglichst bald auf die Ausflugsliste setzen. Der Besuch lässt sich übrigens wunderbar mit einem Spaziergang durch den Buchenwald und am Ufer des Mühlenbecker Sees verbinden.
Spaziergang vom Bahnhof Schönwalde zum Schloss Dammsmühle (ca. 8 Kilometer), Route auf
Die Wanderung lässt sich beliebig erweitern (Runde um den Mühlenbecker See, Runde um den Mühlenteich zur Holzpagode. Wer direkt zum Schloss möchte, kann über die marode Zufahrtsstraße zu Fuß oder mit dem Auto in 2,5 Kilometern vom Bahnhof zum Anwesen gelangen.
Hin und weg: Mit der S3 bis S-Bahnhof Karow, von dort mit der RB 27 (Heidekrautbahn) Richtig Groß Schönebeck bis nach Schönwalde (ABC-Ticket).
Wer noch tiefer und fundierter in die Ortsgeschichte einsteigen will, dem sei der lesenswerte Artikel „Staatsjagdgebiete” und ein Märchenschloss für Mielke von Karin Schumacher auf SciLogs empfohlen.