Schweizer Lust – Wandern in der Ruppiner Schweiz (2/3)
“Straße des Friedens” ‒ was für eine Ansage. Solch apodiktische Straßennamen gibt es wahrscheinlich nur im Osten. Vom Bahnhof Rheinsberger Tor stiefeln wir, noch reichlich verschlafen, am frühen Morgen Richtung Ortsausgang und würdigen die Fontanestadt ausnahmsweise keines Blickes. Denn wir haben eine ordentliche Strecke durch die Schweiz geplant, auch wenn die so flach ist, dass man sich schon fragen kann, was die Region zwischen Neuruppin und Binenwalde mit der Alpenrepublik verbindet.
Ob wir noch nicht richtig wach sind oder die versprochene blaue Markierung nur in unserer Wanderkarte existiert, wissen wir auch nicht genau, aber sobald wir von der Hauptstraße abbiegen, verfranzen wir uns in einer Kleingartensiedlung. Beherzt schlagen wir uns nordwärts durch das Gewirr von Wegen, fasziniert von handtuchschmalen Laubengärten voller Rehkitze, Schwäne und Reiher aus Ton, die um einen Platz in der Hitparade der kitschigsten Gartendeko ringen.
Badestellen keine Mangelware
Bis zum Seebad Neuruppin versperren Bootsanleger und Motorsportclubs den Zugang zum See. Dann endlich geht es in den Wald, vorbei an einer der schönen Badestellen, die auf dieser Wanderung keine Mangelware sind. Wenn wir uns nicht sofort die Kleider vom Leib reißen, liegt das nicht etwa an der schlechten Wasserqualität, im Gegenteil, die ist nämlich in allen Gewässern der Ruppiner Seenkette ausgezeichnet, sondern schlicht an der Tatsache, dass uns der stramme Herbstwind auch so schon ungemütlich um die Ohren bläst.
Deshalb verzichten wir auch auf einen Abstecher in den schön gelegenen Ort Alt Ruppin und wandern weiter in Richtung Schleuse, wo es über den Rhin zum Molchowsee geht. Nach einem Hatscher über die Straße folgen wir dem idyllischen Uferweg bis zum Ortseingang von Molchow und freuen uns über den überdachten Pavillon an der Badestelle. Picknickzeit. Das trutzige Runddorf hat auch einen gemütlichen Dorfplatz mit einem schlichten Glockenturm aus Holz – bei sonnigem Wetter bestimmt eine Pause wert, bevor die nächsten Kilometer Pflastertreten bis zur Brücke am nördlichen Zipfel des Tetzensees angesagt sind.
Ein Zander für den Wald
Ab Stendenitz verläuft der Weg am Westufer des Zermützelsees, vorbei am angeblich ältesten Waldmuseum Deutschlands, begründet 1936 von Revierförster Hans Zander, der dafür allerlei Naturobjekte auch aus den umliegenden Wäldern zusammengetragen hatte. Es gibt einen Naturlehrpfad, das schilfgedeckte Blockhaus mit einer Ausstellung über den „Wald als Lebensgemeinschaft“ ist allerdings geschlossen, wegen Personalmangel. Und auch in der traditionsreichen Waldschenke wird zu dieser Jahreszeit kein Bier mehr ausgeschenkt.
Spätestens am Tornowsee hören wir auf, die Seen zu zählen. Mehr hätte sicher auch die Schweiz nicht an einem Wandertag zu bieten. Über das Rottstielfließ wechseln wir auf die Ostseite des Sees und wandern im Bogen über den Fontaneweg auf dem leicht erhöhten Ufer durch herrlichen Buchenwald zur Boltenmühle. Die 1718 im Fachwerkstil errichtete Sägemühle ist heute ein beliebtes, im Sommer leider oft überlaufenes Ausflugsziel mit großer Terrasse, Hotelzimmern und regionaler Küche. Inzwischen reichlich durchgefroren, spekulieren wir allerdings mehr auf den privaten Wellnessbereich.
Und dann, sachte plätschernd im körperwarmen Solebecken, sind wir für heute auf unser persönlichen “Straße des Friedens” angekommen.
Dies ist der zweite Teil einer Artikelserie über Wandern im Ruppiner Land auf dem Abschnitt von Neuruppin bis Boltenmühle. Hier findest du die 1. Etappe und die 3. Etappe. Alle drei Abschnitte können einzeln oder kombiniert gewandert werden.
Hin und weg: Mit der Regionalbahn RE 4 & RE 6 nach Neuruppin, Umstieg in Spandau (ca. 1:30 Stunde), zurück ab Boltenmühle mit dem Fahrgastschiff (Mai bis September, dienstags, donnerstags, samstags um 15.30 Uhr, rund zwei Stunden Fahrtzeit bis Neuruppin).
Strecke: Von Neuruppin bis Boltenmühle sind es rund 16 Kilometer, überwiegend auf Ufer- und Waldwegen, wenige Abschnitte über Straßen. Von Neuruppin bis Rheinsberg – alle drei Etappen – sind etwa 48 Kilometer.
Alle drei Etappen auf Google Maps.
Bonustipp: Übernachtung im Hotel Boltenmühle, Restaurant mit regionaler Küche, kleine, aber angenehme Sauna mit Solebecken und kleinem Naturteich.